Nach zögerlichen Jahren entwickelten sich gewisse Bereiche der Digitalisierung im Jahr 2020 plötzlich sehr schnell. Allen voran: sichere Verbindungen fürs Homeoffice, Online-Meetings und digitale Konferenzen; im eigenen Unternehmen mit Kolleg:innen, bald auch mit Kund:innen und Geschäftspartner:innen und schließlich auch Pressekonferenzen (PKs) mit Journalist:innen. Diskutiert wurde nicht mehr ob, sondern wie.

Digitale PKs funktionieren

Gab es bei unseren ersten digitalen PKs im Sommer 2020 noch Diskussionen um das richtige Tool, den entsprechenden Voraussetzungen bei den Teilnehmer:innen und den Datenschutz, – unter anderem mit Hinweisen von Journalist:innen, dass manche Anbieter in ihren renommierten Medienhäusern nicht zugelassen seien – so sind mittlerweile genügend Lösungen auf dem Markt, die alle Anforderungen inklusive DSGVO-Kriterien erfüllen und es ist höchstens noch schnell eine App vor der Konferenz zu installieren. Bei unserer letzten hybriden Pressekonferenz mit über 90 Teilnehmer:innen gab es kein einziges Problem mehr bezüglich der Einwahl. Es läuft mittlerweile. Digitale PKs funktionieren und vor allem: sie werden Corona überstehen und immer eine Option sein. Und ganz ehrlich: Viele Anlässe, die vor 10-15 Jahren noch eine PK hervorriefen, haben in den letzten Jahren nicht mehr genügend Anmeldungen generiert, um den Aufwand zu rechtfertigen. Dies wird sich jetzt wieder ändern.

Unschlagbare digitale Effizienz

Natürlich fehlt vielen Menschen aktuell der direkte Kontakt und eine PK lebte nicht nur von den Inhalten, sondern auch von einem Plausch zwischendurch beim Kaffee. Aber die Vorteile einer Digitalveranstaltung sind nicht von der Hand zu weisen. Allen voran die Ersparnisse bei der Anmietung passender Räumlichkeiten und des Caterings. Hinzu kommt die höhere Flexibilität bei den Journalist:innen und die dadurch gestiegene Teilnahmequote. Manch ein Vier-Stunden-Termin (inklusive Reisezeiten) lässt sich nun auf eine knappe Stunde reduzieren. Das wird in Redaktionen dankbar angenommen, wissen wir doch um die knappen personellen Ressourcen und die stetig steigende Einforderung von Effizienz. Zudem sind auch keine geografischen Grenzen mehr gesetzt und die Einladungsverteiler können beliebig erweitert werden. Der Redaktions- bzw. Wohnsitz spielt keine Rolle mehr. Und warum nicht weitere Stakeholder als stille Zuhörer:innen einladen? Jedenfalls steigen die Kosten nicht mit jeder zusätzlich eingeladenen Person.

Jedes Format hat seine Vorteile – nutzen wir sie alle

Dort, wo also keine Produktneuheiten angefasst, ausprobiert oder verköstigt werden, wird es die Präsenz-PK zukünftig schwer haben, die digitale Schwester zu schlagen.

Zudem, jegliche Kombinationen von Mischformaten sind denkbar:

  1. Reine Videokonferenzen, bei der alle Sprecher:innen und die moderierende Person digital zugeschaltet werden.
  2. Eine Übertragung von einer moderierten Runde aus einem Raum, Teilnehmer:innen werden zugeschaltet.
  3. Zusätzlich werden weitere Personen und ausgewählte Journalist:innen eingeladen, vor Ort dabei zu sein.
  4. Die Präsenz-PK, gegebenenfalls mit einer zusätzlichen Übertragung.

Wir haben uns in der Zielgruppe umgehört: Daniel Schleidt, Wirtschaftsredakteur der Frankfurter Allgemeine Zeitung, möchte beispielsweise vom Einzelfall abhängig machen, welche Form ihm den höheren Mehrwert verspricht:

„Digitale Pressekonferenzen haben Vor- und Nachteile. Für Journalisten sind digitale Pressekonferenzen, die technisch sauber ablaufen und die Möglichkeit zu Fragen bieten, sicherlich aus Effizienzgründen ein großer Gewinn. Andererseits leben wir von dem persönlichen Kontakt und von Netzwerken. Das geht durch digitale Veranstaltungen leider verloren. Deshalb wünsche ich mir künftig hybride Formate, die beides zulassen, sodass wir als Journalisten mit Blick auf zeitliche Kapazitäten und Bedeutung des Themas abwägen können, ob wir digital oder physisch teilnehmen.“

Geeignete Tools gibt es einige. PSM&W arbeitet bevorzugt mit Zoom. Andere Tools sind ebenfalls geeignet, für jegliches Format gilt jedoch dasselbe: Die Handhabe mit eingehenden Fragen spielt dabei eine wesentliche Rolle.

Keine Kompromisse bei der Qualität

Ob die Umsetzung komplett digital erfolgt – also auch Redner:innen und Moderator:in sitzen an ihren Endgeräten und nicht in einem Raum – oder eine Übertragung aus einem gemeinsamen Raum geschieht, ist eine wichtige Frage bei Planung und Durchführung. Expert:innen oder andere Sprecher:innen können natürlich von überall aus der Welt zugeschaltet werden, das mag Vorteile bringen. Dennoch wirkt ein gemeinsames Podium, bei dem die Veranstalter:innen auch die Technologie steuern und sich nicht auf stabiles WLAN der Referent:innen verlassen müssen, im Zweifel professioneller.

Gute Ausrüstung zahlt sich aus

Gutes Equipment, starke Leitungen, ordentliche Vorbereitung und stilsichere Moderation sind wichtige Voraussetzungen für eine gelungene PK. Hier lässt sich bestimmt einiges einsparen, aber durchaus auch qualitativ mit vernünftigen Mitteln mehr aus einer solchen Veranstaltung herausholen. Starke Übertragungsleitungen, gute Kameras, Ausleuchtung und Mikrofone aber auch geübte Moderator:innen, ein In-Ear-Headset, um Anweisungen geben zu können, sind sinnvolle Investitionen. Um Fragen von Journalist:innen für das befragte Podium einspielen zu können, benötigt man darüber hinaus entsprechende Lautsprecher, zudem sind Screens außerhalb des Kamerabereichs wichtig, damit die vortragende Person nicht hinter einem aufgeschlagenen Laptop versteckt ist.

Vorbereitung mit neuen Schwerpunkten

Bei der inhaltlichen Vorbereitung der PK muss das Rad nicht neu erfunden werden. Sie ist ebenso wie ein technischer Durchlauf für PR-Profis Routine. Dennoch sind laufende Kameras und die fehlende Interaktion mit dem Publikum für viele Neuland und in solchen Fällen unbedingt zu proben. Wird bei einer Live-Veranstaltung mal ein sympathischer Spaß eingestreut, können einen die fehlenden Lacher irritieren. War man zuvor gewohnt, abwechselnden Blickkontakt mit dem Publikum zu suchen, ist der dauerhafte Blick in die Kamera – und zwar in die richtige – das, was digitale Souveränität ausstrahlt. Achtung bei eingeblendeten Hintergründen: Auf Kleidung (nicht zu „kleinkariert“) und Beleuchtung achten und schnelle Bewegungen vermeiden, sonst können Körperteile durchaus kurzzeitig verschwinden – dem Greenscreen sei Dank.

Die Jogginghose sieht keiner

Für Sprecher:innen zu Hause am eigenen Rechner gilt: Auch in den eigenen vier Wänden ist Professionalität wichtig. Dies betrifft die passende Kleidung (zumindest die sichtbare oberhalb der Gürtellinie), technische Qualität (Ton und Bild) aber auch die Liebe zum Detail wie die Position der Kamera, der richtige Blickwinkel (nicht in die Nasenlöcher oder auf die glänzende Halbglatze), angemessenes Licht und vor allem: eine stabile Verbindung. Diese kann in Privaträumen zum Problem werden. Ist die WLAN-Verbindung wackelig, sollte man zur Sicherheit das passende Kabel zur Hand haben. Ist zwar oldschool, hilft aber. Das private Arbeitszimmer ist authentisch. Wenn es für den Anlass zu privat oder unpassend ist, ist ein virtueller Hintergrund – auch mit passendem Branding – leicht zu gestalten.

Journalisten fragen nun mal gerne

Kritische Fragen gehörten schon immer zum 1 x 1 der guten Vorbereitung. Neu ist, dass alle Zuhörer aktuell am Rechner sitzen und im Netz in Echtzeit sämtliche Themen abfragen können – während der Präsentation. Vermutlich muss die Vorbereitung daher noch etwas ausführlicher sein: Unsicherheiten, falsche Zahlen und Schönfärbereien könnten mit wenigen Klicks entlarvt werden. Mit etwas Übung lässt sich auch die Fragerunde der PK souverän meistern. Moderator:innen sollten dabei unterstützt werden und nicht selbst parallel zum laufenden Gespräch Fragen filtern und am Laptop tippen. Eine begleitende Regie sichtet die eingehenden Fragen, gibt den Fragenden eine kurze Info, dass sie gleich dran sind, und kündigt dies parallel den Moderator:innen an. Diese müssen dann nur noch die jeweiligen Journalist:innen aufrufen oder können die vorgelegte Frage selbst stellen. Wichtig: Bei Hybrid-Veranstaltung muss zusätzlich darauf geachtet werden, dass keine Zwei-Klassen-Gesellschaft entsteht. Anwesende Teilnehmer:innen haben ihre Fragen schneller gestellt. Die digitalen Teilnehmer:innen an ihren Computern sollten nicht vernachlässigt werden.

Gerne auch mal kurz und knackig und die eigenen Kanäle einbinden

Zum Timing: Niemand dankt es einem, wenn eine Veranstaltung um Belanglosigkeiten aufgebläht wird, um ein Minimum an Präsenz zu erreichen. PKs waren noch nie Werbeveranstaltungen und die Vereinfachung, Filme einzuspielen oder weitere Redner:innen zuzuschalten, rechtfertigen dies auch zukünftig nicht. Journalist:innen möchten informiert werden. Am besten komprimiert, mit ausreichend Zeit für Fragen. Sie müssen jedenfalls keine langen Anfahrten mit der Dauer des Events rechtfertigen. Wenn der Stream mitgeschnitten wird, muss ein Hinweis an alle Teinehmer:innen gegeben werden, das gehört im Idealfall bereits in die Einladung. Insbesondere, wenn sich Mitschnitte später online wiederfinden lassen. Umso mehr, wenn Fragen aus dem Publikum nicht rausgeschnitten werden sollen. Die Möglichkeit, dass Teilnehmer:innen ihrerseits mitschneiden können, sollte es nicht geben. Veranstalter:innen sollten den Content über die eigenen digitalen Kanäle ausspielen.

Der Blick in die digitale Glaskugel

Digitale PKs haben eine gewaltige Hürde genommen, Corona war eine Initialzündung, die einen unaufhaltsamen Prozess ins Rollen gebracht hat. Der Markt nimmt dies an, die Vorteile sind eindeutig gegeben und diese gilt es nun zu nutzen und zu optimieren. Präsenz-PKs und Hybridformen mögen vereinzelt ihre Vorteile haben, müssen diese aber auch rechtfertigen: die Kosten der Veranstalter und den zeitlichen Mehraufwand in den Redaktionen. Viele PR-Agenturen werden sich zügig mit entsprechendem Equipment ausrüsten. Wahlweise gibt es professionelle Dienstleister, die einen unterstützen. Make-or-buy bleibt wie so oft ein Rechenspiel anhand der zu erwartenden Menge und gewünschten Qualität anstehender Events. Die Kunst vor der Kamera zu reden wird zunehmend gefragt sein, und somit entsprechende Coachings für Referent:innen und die Dienstleistung der Moderation. Stets gepaart mit der State-of-the Art-Technik und einer souveränen Regie. Kontakte zum besten Catering-Unternehmen, das Vorbereiten von Tischkärtchen und gebrandeten Namensschildern und andere Aspekte analoger PKs werden von den Event-Checklisten zunehmend verschwinden.

Es wird Zeit, die neuen Möglichkeiten zu nutzen und neue Formate zu entwickeln

Die Größe einer PK ist nun beliebig skalierbar und sie muss auch nicht mehr am späten Vormittag stattfinden, wie oft gepredigt wird. Kleine, spontane Medienrunden, Klarstellungen von wichtigen Sachverhalten, Hintergrundgespräche, die nahezu grenzenlose Erweiterung der Zahl der Teilnehmer:innen, das Live-Streaming, die Aufbereitung und das Ausspielen der Tonspur als Podcast, und, und, und. Die knappste Ressource ist die Zeit. Wer jetzt mehrwertige Formate entwickelt und zügig seinen Kund:innen verkaufen kann, gewinnt. Wer unnatürlich aufbläht und belanglos ist, verschwendet die Zeit seiner Zielgruppen und verliert. Ein gutes Stichwort für mich, um an dieser Stelle einen Punkt zu machen.