Sieben Sekunden für die Ewigkeit

30 Jahre Dürre bei Eintracht Frankfurt. Keine Titel, düstere Zeiten, unteres Mittelmaß, mehrere Abstiege und damit einhergehend nur begrenztes Vermarktungspotential. Und dann ist er auf einmal da, dieser magische Moment an einem sonnigen Frühlingstag in Berlin. Kurz vor Schluss des DFB-Pokalfinales gegen Bayern München führt die Eintracht überraschend aber hochverdient mit 2:1. Weltweit zittern etliche Millionen Menschen mit dem sympathischen Underdog aus Hessen. Nach bangen Momenten in der Nachspielzeit, ob der Schiedsrichter nicht doch noch einen Elfmeter für den Favoriten geben wird, folgt stattdessen nur ein Eckstoß. Erleichterung. Man kann tonnenweise Felsbrocken purzeln hören. Aber jeder im Stadion weiß: die Bayern haben schon tausendfach Tore in der Nachspielzeit erzielt, auch nach Ecken. Es kommt jedoch anders: Mijat Gacinovic stibitzt sich die lederne Kugel und sprintet damit über den ganzen Platz. Der Lauf seines Lebens. Und in diesen sieben Sekunden bis zum entscheidenden 3:1 und dem sich anschließenden Jubellauf zu den Fans explodiert das Stadion. 30 Jahre angestaute Emotionen entladen sich. Ein Moment, der die jahrelange Dürre ad hoc in eine blühende Landschaft verwandelt. Extase. Die Belohnung ist der goldene Pokal. Es ist das Ende eines grandiosen Pokalfinales und der Beginn einer beispiellosen Marketingtour mit der begehrten Trophäe.

Eine Chance für das Marketing hervorragend genutzt

Der DFB-Pokal hat Frankfurt und die gesamte Region elektrisiert und dieses Hochgefühl hält immer noch an. Dahinter stehen ein kluger Plan und harte Arbeit. Denn es wurde eine große Chance professionell genutzt, diesen Erfolg auch kommunikativ einzusetzen. „Der Pokal wurde für die Fans geholt“ hieß es – und der Verein hat Wort gehalten. So gab es viele Gelegenheiten als Frankfurter, dem Pokal „live“ zu begegnen und auch sein Foto für das private Fotoalbum zu schießen: im Eintrachtmuseum, beim Sportpresseball und natürlich auch auf der Marken Gala des Marketing Club Frankfurt, um nur einige zu nennen. Vermutlich ist der Pokal 2018 das meistgenutzte Motiv aller Hessen in den sozialen Netzwerken. Das Fotobuch zum Pokalerfolg ist ein Verkaufsschlager, zahlreiche kreative Merchandisingartikel füllen die Vereinskassen und der letzte Clou: Ein von der Eintracht selbstinitiierter, emotionaler Film mit bisher unveröffentlichten Aufnahmen zum Pokalsieg läuft aktuell im Kino und wird stark nachgefragt. Gestandene Männer bekommen auch jetzt noch glasige Augen, wie sonst nur ihre bessere Hälfte bei Anschauen von Dirty Dancing. Aus einer Kooperation mit geplanten vier Kinos wurden 31 mit über 40.000 verkauften Tickets und es werden täglich mehr. Eine DVD wird natürlich auch noch im Sortiment aufgenommen. Der Verein verzeichnet innerhalb eines Jahres einen Mitgliederzuwachs von 17.500 Personen – sagenhaften 35 Prozent!

Kennen Sie Leimen?

Sponsoren zahlen Vereinen bekanntlich viel Geld dafür, um über deren Bekanntheit und die Sympathiewerte die eigene Wahrnehmung zu verbessern. Seit den 90ern wird dieses Vorgehen als anerkanntes Kommunikationsinstrument angesehen und ist elementarer Bestandteil zahlreicher Kommunikationsstrategien. Ein wichtiger Faktor für die Wirkung sind die mit der gesponserten Marke verbundenen Emotionen. Wem es gelingt, diese in der Vernetzung des Engagements gekonnt zu aktivieren, der kann davon richtig profitieren. Nicht nur Eintracht Frankfurt und seine Sponsoren profitieren in allen Belangen vom Pokalerfolg, auch die Stadt Frankfurt als internationale Marke ist einer der Gewinner.

Ob Orte wie Gummersbach oder Großwallstadt – bekannt als ehemalige Handballhochburgen, Dörfer wie Unterhaching und Hoffenheim – wegen des Profifußballs auf der Landkarte auffindbar oder Leimen – vielen ein Begriff als Geburtsort von Boris Becker – die Wirkung des Sports auf die Bekanntheit und Sympathie einer Stadt ist unbezahlbar. Die Marke Eintracht Frankfurt strahlt enorm auf die Marke Frankfurt ab – seit Mai 2018 ganz besonders intensiv und weltweit.

Die Stadt muss aktiv mitspielen

Manche Städte bzw. deren Verantwortliche haben dieses Potential erkannt. Sie bringen sich ein, unterstützen dementsprechend ihre Aushängeschilder und ebnen den Weg für den Erfolg. Andere nehmen diesen Effekt eher nebenbei mit oder versuchen, lediglich wirtschaftlich zu profitieren. In Frankfurt hat man das Gefühl, dass die anfängliche Euphorie der Stadt leider wieder etwas nachgelassen hat, zumindest wenn es um einst gemachte Zugeständnisse geht. „Für die Stadt ist es eine riesengroße Chance. Das ist eine super-mega Werbung", schwärmte nach dem Endspiel noch der Sportdezernent. Aktuell kommen jedoch verabredete Infrastrukturprojekte nicht voran, Baugruben bleiben unbearbeitet, Entscheidungen zum Stadionausbau werden aufgeschoben und die langjährigen Gespräche zur Konstellation der Besitz- und Mietverhältnisse in der Commerzbank-Arena bringen keine Fortschritte, die einen Wettbewerbsnachteil der Eintracht schmälern und ein klares Zugeständnis der Stadt erkennen ließen.

Die Sympathiegemeinde wächst, in- und ausländische Fans reisen nach Frankfurt, auch international erzielt die Eintracht beste Einschaltquoten: das Pokalfinale wurde in 185 Länder übertragen! Das Ziel in der Champions League zu spielen, ist nicht mehr nur etwas für Fußballromantiker. Dieses Potential, diese große Chance sollte Frankfurt nicht verschlafen.